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Wie Regenpfeifer aussehen…

Seewinkel, St. Andräer Zicksee – Mai 2022


Warum diese verschwommen-verwischten Formen? Warum einen Flussregenpfeifer nicht einfach so fotografieren wie er nun Mal aussieht?

Ich finde sie ansprechend, die Formen. Und fotografieren wie etwas nun Mal aussieht ist keine so eine einfache Sache, wie sie vielleicht klingt.

Die Formen resultieren aus einer Kombination mehrerer fotografischer Tricks. Zum Einen etwas, das manchmal mit dem Begriff Intentional Camera Movement (ICM) bezeichnet wird: während einer etwas längeren Belichtung bewege ich die Kamera, lasse sie am Objektiv geführt Bewegungen beschreiben die der Situation entsprechen sollen. Zum Anderen gibt die etwas längere Belichtungszeit dem Vogel Zeit sich zu bewegen und der Kamera Zeit diese Bewegungen aufzunehmen.

Ich finde sie ästhetisch bestechend, die Formen, betonen sie doch das ephemere Wesen von Vögeln, immer bereit sich in die Luft zu werfen, ihre Schwingen zu spreizen und mit diesen in jedem Moment neue Formen zu beschreiben. Warum soll ich immer nur einen dieser Momente in einem Sekundenbruchteil abbilden?

Ich will nicht behaupten, dass meine Fotografien besser sind in Hinsicht einer wahrheitsgetreuen Darstellung. Das Problem liegt tiefer; weder der Sinnesapparat unserer Augen und Gehirn, noch das optisch-elektronisch-künstlerische Gefüge einer Kamera bilden ’naturgetreu‘ ab, was sich uns als Vogel präsentiert. Beides sind nur Variationen eines Themas, doch das Thema selbst existiert nur in seinen Variationen. Damit will ich nicht den Vogel als bloß relative Erscheinung bilderzeugender Apparate abtun, aber sowohl das Auge als auch die Kamera von ihrer Pflicht befreien, einen Vogel ‚wie er da draußen nun Mal ist‘ abzubilden.

Ich sehe die so entstandenen Formen nicht als willkürlich an sondern als kontingent. Sie sind ein Zusammenspiel Vieler; Vögel, Kamera, Ort, technisches Know how, bestimmte Knozepte und bestimmte Teile meines Körpers haben sich zusammengefunden und in temporärer Zusammenarbeit diese Bilder erzeugt. Wäre einer dieser Komponenten anders, die Bilder wären andere.

Ich sage also zu diesen Bildern: dies sind Flussregenpfeifer. Es ist keine genaue Entsprechung weder dessen was ein Flussregenpfeifer in seinem Wesen ist, noch meiner subjektiven Beobachtung. Aber es ist für mich eine zutreffende Variation – eine von vielen möglichen! – darauf, wie es ist, am St. Andräer Zicksee im Mai 2022 Flussregenpfeifer anzutreffen:

rastloses Rennen und unvermitteltes Auffliegen; dunkle Flügeldecken; gelber Lidring, sichtbar nur bei genauem Beobachten; vegetationsarme Kiesbänke; gewisser Abstand zum menschlichen Beobachter, bei allen Aktivitäten eingehalten; tropfenförmige Körper; schnelle Bewegungen, denen die Optik nur schwer folgt; Tupfen von grün und Streifen von stahlblau; helle Bäuche; kurze Phasen des miteinander-Rennens

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Allgemein Über Fotografie Formen

Kampfläufer: Fotografische Skizze

Beim Birden (Vogelbeobachten, von engl. bird watching, birding) geht es viel darum, aus einem zusammenhängenden optischen Phänomen Formen heraus zu schälen, Formen die dann ein Vogel sind – im besten Fall ein Vogel, den man währenddessen bestimmt hat.

Als aktiver Prozess spielen neben dem Vogel Wissen und Erfahrung eine entscheidende Rolle. Genauso Ort, Situation und technische Geräte die sich an dem Phänomen beteiligen. Birden konstituiert das Phänomen, das wir dann eine Vogelbeobachtung nennen.

Fotografiere ich nun also den Vogel, den ich – draußen im Aprilwind am St. Andräer Zicksee liegend – birde:

Fotografien wie die beiden oben sprechen nicht über Formenfinden und den konstitutiven Prozess des Birdens. Die Grenzen des Phänomens Vogel sind mittels scharfer Linien festgelegt, die Umgebung erfüllt die Aufgabe eines Hintergrunds. Der Kampfläufer erscheint als das einzig echte Motiv und ihn in seiner – unbestrittenen – Pracht abzubilden als einzige Aufgabe der Fotografie.

Weniger als eine Minute später drücke ich erneut den Auslöser, fotografiere wieder:

Im Skizzenhaften der Darstellung erscheint mir diese Fotografie ehrlicher (nicht authentischer!) als die obigen. Eine Skizze hat nicht den Anspruch, etwas komplett zu repräsentieren. Es geht darum, bestimmte Aspekte zu hervorzuheben, während andere bewusst vernachlässigt werden. Und eine Kamera ist ein ebenso gut geeignetes Gerät zum Skizzieren wie viele andere.

Selbstverständlich ist dieses Bild von irgendeiner Form der getreuen Darstellung mindestens genauso weit entfernt wie die vorherigen. Zur Bestimmung der Art ist es vielleicht eher weniger geeignet – doch nicht unmöglich – und manchen mag etwas Dinghaftigkeit fehlen.

Selbstverständlich ist es auch ein billiger Trick, einfach die Verschlusszeit von 1/1000 Sekunde auf 1/8 Sekunde herunter zu setzen, ein bisschen an der Kamera zu wackeln und das unscharfe Bild dann rhetorisch aufzuwerten. Und gleichzeitig geht es nicht nur um den Trick. Es geht darum, zu zeigen, dass jedes Foto auch anders hätte gemacht werden können.

Und dass manche dieser anderen Wege eine ganz eigene Ästhetik in sich tragen können. Und manchmal etwas darüber erzählen, wie es ist, Kampfläufer am St. Andräer Zicksee zu birden.

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Formen Wesen

Spätwinter

Bayerischer Wald / Wien 2022

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Formen Wesen

Sonne, Laub, Schlange

Wärme tanken, Licht sammeln. Die letzten Strahlen der gleißenden Sonne für die lange Ruhe speichern. Schlangenformen.

Wien. Ende Oktober 2021

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Wesen

Blässgans

Anser albifrons

Es ist nicht leicht zu beschreiben, das Gefühl an einem Wintertag unter einem Himmel voller Gänse zu stehen; Rufe – freundlichkalt – von mattem Blau und Eis und Sonne.

Seewinkel. Januar 2022

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Formen Wesen

Skizze einer Nebelkrähe im Winter

Wien. Januar 2022

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Wesen

Uferschnepfe

Limosa limosa



Seewinkel 2021

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Allgemein Formen Wesen

Sandgrube:Techno-Landschaft.

Die Sandgrube macht nur deutlich, was überall in Mitteleuropa seit langem gilt: Landschaft ist keine Frage der Natur mehr.
Geomorphologie und Abbautechnologie überschneiden sich und kollaborieren.
Die Fortschrittserzählung der Pflanzen wird wieder einmal zurückgesetzt und in den Übergangsstadien, der Belebung des Sediments, finden sich Bilder aus denen viele Stimmen sprechen. Die der Gräser, der Bagger, der Kiefern, der Sandkörner, des Frostes, der alles ins Rutschen bringenden Gravitation und der ihr entgegen arbeitenden Förderbänder. Die Richtungen, in die die Stimmen deuten, könnten unterschiedlicher nicht sein: zum Tidenhub des Jurameeres und zahnlosen Muscheln, hören wir auf den Sand, zu nacheiszeitlichen Geschwindigkeitswettbewerben, hören wir auf die Kiefern und Birken, zu Wolkenkratzern und Stahlbeton, hören wir auf die Fördermaschinen.

Die Sandgrube macht es mir einfach: ich muss meine Präsenz nicht rechtfertigen, den Traum der unberührten doch fotografierten Natur nicht mit aufrechterhalten. Was den Sand abbaggerte und was meine Kamera baute, ist sich nicht fremd. Es ist leicht, nichts als ein Auge hinter der Kamera zu vermuten, körperlos, frei, immer bereit, den Blick von Nirgendwo einzunehmen, doch es hängt ein Wesen daran, mit Füßen, deren Spuren zum Bagger führen.
Niemand von uns ist frei von Technologie und am wenigsten, wer Digitalbilder auf eine Internetseite stellt. Oder wer sie dort anschaut.


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Wesen

Kiefer.

Eine Kiefer, die aus einer alten Bahnschwelle keimt; nicht nur keimt, sondern wächst und das bestimmt schon seit Jahren. Die Schwelle ist der Länge nach aufgespalten, senkrecht zum Kiefer-Spross. Ringsherum ist das Schotterbett, die Schienen samt ihrer kräftigen Befestigungsschrauben sind noch fest verankert.

Ich will das Bild von der Kiefer betrachten und keine Natur sehen, die sich ihren Platz zurück erobern würde. Keine Romantik, keine Klischees, keine Träume von Harmonie. So kommen wir nie weiter.

Ich will das Bild von der Kiefer betrachten und Geschichten über Wurzelspitzen denken, die zwischen Grundwasser und Asbest navigieren, ich will Gedanken schreiben, die das Gift im Boden in Lyrik gießen. Hat die Kiefer Verbündete getroffen, da unten, unter dem Gleisbett? Egal wie viel Gift sie fand, sie hat sich angepasst, immer noch genug Nährstoffe herausgezogen, Zucker für Wasser verhandelt gegen eine fordernde Atmosphäre und weiter gelebt.

Hat sie ihre Konkurrenz ausgestochen in dem sie nicht den einfachen Weg ging? Trainiert sie für spätere Sommer, in denen die Sonne noch glühender sein wird? In denen wir alle in den Folgen einer Industrie-Unternehmung der einen oder anderen Art leben werden? Ich will Geschichten über die Züge, die einmal über die selbe Stelle fuhren, senkrecht zur Kiefer-Richtung.

Vielleicht ist das Leben in einer Bahnschwelle reinste Euphorie. Vielleicht ist jeder neue Ring Zucker ein Rausch, jedes Mol Phosphor ein High.


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Über Fotografie Wesen

Oberflächen

Eine kleine Polemik

Michel Foucault, Tiefenbohrer des westlichen Denkens, war der Ansicht, dass das klassische Denken des 18. Jahrhunderts die Lebewesen lediglich räumlich nebeneinander anordnen konnte. Ihre Geschichte und innerer Aufbau sei vernachlässigt worden zugunsten eines endlosen Tableaus von repräsentierenden Worten. Artnamen, Gattungsnamen, Beschreibungen – jedes Detail ihrer Erscheinung erfassend, alle Wesen der Welt dargestellt über ihre Repräsentationen. Die Welt der Wesen als Oberfläche ohne Tiefe, ohne Geschichte. Klassisches Denken manifestierte sich im Naturalienkabinett, in dem jedes Wesen seinen Platz neben den anderen hatte und die Änderungen sich graduell über das Seiende erstreckten. Mit der Moderne sei jedoch eine Frage nach Tiefe aufgekommen, die nach Funktionen fragt und die Geschichte der Wesen erfahren will. Am Anfang dieser Geschichte, am tiefsten Punkt der Bohrung findet er etwas, unerreichbar doch durchscheinend, das unsere moderne Erfahrung ermöglicht, jeder Wahrnehmung von Lebewesen vorausgeht – er nennt es Leben.

Das Leben sorgt für die moderne Ordnung der Dinge, mit Foucault gedacht können wir nicht anders wahrnehmen, als in der Tiefe der Lebewesen das Leben zu sehen.

Gräser auf prekärer Fläche.
Wie die meisten offenen Sandflächen wird auch diese verschwinden. Die Gräser stellen einen Abschnitt ihrer Besiedlungsgeschichte dar, ihr Auftreten findet im Kontext von Konkurrenz und Symbiosen, Standort und Erbgut statt. Sie würden von anders entwickelten Organismen abgelöst werden, wenn nicht zuvor die Baustelle, die die Fläche ermöglichte, sie auch wieder verschlingt.

Was aber, wenn wir in der Naturfotografie den Sprung ins Moderne nicht ganz geschafft haben? Sind wir immer noch dem Betrachten der Oberflächen verfallen?

Wie Versuche, die Wesen nach Repräsentationen zu ordnen, so erscheint mir die Naturfotografie; doch statt in Formaldehyd werden sie in Silbersalzen und CMOS-Sensoren eingelegt. Verstehen wir unsere Bilder als Repräsentationen im alten, klassischen Sinn? Lässt uns das verflachende, 2-Dimensionale Medium die Oberflächen verlockend erscheinen? Die Fotografie ist ein Abbild ohne Zeit, vernachlässigen wir damit die Geschichten, die alle Wesen haben? Auf einem Bild lässt sich nicht feststellen ob das Wesen noch lebt oder gerade verstorben ist, ein ausgestopfter Vogel kann fotografiert werden, als wäre er lebendig. Und so vergessen wir die Geschichten der Wesen.

Als Teenager, der mit seiner Digital-Kamera in den Zoo und in den Wald ging, hatte ich angefangen, meine Ordner in diesem Stil zu benennen und zu ordnen. Es gab Vögel, Säugetiere, Pflanzen und Steine. Es gab Insekten, Affen, Katzen und Bäume. Affen waren den Katzen näher als den Bäumen und die Steine am weitesten entfernt. Und damit es nicht unübersichtlich wurde, steckten all diese Ordner in einem großen Ordner mit der Aufschrift Natur. Das Kriterium, als Bild in diesen elitären Kreis aufgenommen zu werden, bestand darin, weder Menschen abzubilden noch ihre Artefakte. Vor Herausforderungen stellten mich Aufnahmen von Bäumen in Städten, von Tieren in Gärten bei denen ich es nicht geschafft hatte, die Artefakte aus dem Frame zu verbannen. Mit den Zoo-Bildern hatte ich weniger Probleme, vielleicht weil sie von vornherein die Live-Version eines Naturalienkabinetts darstellen. Die Zoo Artefakte waren ja die Rahmung der Ordnung, das Formaldehydglas für lebende Tiere.

Sehe ich mir die Kategorien von Naturfotografie Wettbewerben, ja die Logik der meisten Zeitschriften an, erkenne ich ähnliche Muster. Oft ordnen wir die Bilder in Vögel, Säugetiere, andere Tiere sowie Mensch und Natur. Und damit es nicht unübersichtlich wird, ein Titel, der sicher ein Wort enthält: Natur.

Kiefer in Bahnschwelle
Es fällt uns so schwer, die Hybride zu sehen. Zeitlich unsynchrone Prozesse verschiedenartiger Akteure, die sich überlagern und Muster absichtsloser Koordination bilden, wie Anna Tsing sie nennt.

Natur, immer wieder Natur. Ist dieser Begriff, diese Kategorie vielleicht der Versuch der Naturfotografie im modernen Denken? Die Suche nach dem Tiefenphänomen, das alle Erscheinungen ermöglicht? Wir kennen das moderne Denken, sind vertraut mit der Biologie, die die Wesen nicht länger nur anordnet sondern als sich entwickelnde Wesen sieht, jedes am Ende einer langen Kette von Vorgängern bis in die Tiefe der Zeit. Doch ganz haben wir das Phänomen Leben nie verstehen können, die Klügsten sind an seiner Definition gescheitert.
Wir versuchen ein Prinzip zu finden, das die Masse unserer Bilder eint, uns erklärt warum wir alle diese Bilder gemacht haben. Wir sehen die Oberflächen und wollen das Phänomen wissen, das ihnen ihren Sinn verleiht. Wir suchen es in den Prozessen, die die Muster gebildet haben und stellen uns vor, den Prozess Natur abbilden zu können, stellen uns vor, ihn gegen die menschlichen Prozesse abgrenzen zu können. Denn das Leben ist zu verwirrend, um es einfach abzubilden zu können, mit seinem Wandel, mit seinem Befolgen der nur eigenen Regeln. Wie schön wäre es, die Natur als Kategorie zu haben, wie einfach. Wie flach.

Anders als das Leben ist die Natur nur eine Denkkrücke, überflüssig, verwirrend. Ein Konglomerat aus der uneingestandenen Obsession nach Oberflächen und dem unentkommbaren Blick in die Tiefe. Jeder Satz, der den Begriff Natur enthält, kann ohne ihn formuliert werden.

Wo das Leben die Wesen von unten erleuchtet und ermöglicht, liegt die Natur darüber; verwischt, verwirrt, vernebelt.
Lenkt ab von den Geschichten, die zu erzählen wären.

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