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Reisen Über Fotografie

Stein und Licht II: Pantheon

Unvermittelt, schlendernd durch die Straßen Roms, steht das Pantheon vor mir. Es zieht alle Blicke an sich. In ursprünglich sumpfigem Gelände errichtet (was seiner Erscheinung noch ein weiteres Gewicht gibt, bedenkt man die erforderlichen Fundamente), liegt es nicht auf einem Hügel, ragt nicht weiter über andere Gebäude empor, sobald aber der Platz betreten, dem es vorsteht, übt es eine unglaubliche Anziehungskraft aus. Seine starken äußeren Säulen reichen unglaublich hoch und leiten zu der größten vorstellbaren Bronzetür. Von innen ergeben sich mehr Blicke, als man vernünftigerweise werfen kann.

Nicht zu leugnen ist die Grundstruktur, die Kuppel mit den konisch angeordneten, parallelogrammförmigen, gestuften Einbuchtungen, die Säulen, die die Kuppel erst tragen, der helle Lichtfleck, der langsam über die Wände wandert und durch das kreisrunde, unglaublich große Loch in der Decke fällt, das das Gebäude im römischen Himmel aufhängt. Wieder kann ich nicht anders, als fotografisch dem Licht zu folgen.

Der Kreis aus Licht wandert über die Wände, Vorsprünge, Absätze, Säulen, Reliefs, Simse. Nicht nur ist dieser Kreis aus Licht die beste Beleuchtung, die ich in diesem Gebäude bekommen kann – er ist auch der Ausweg aus dem Grund-Dilemma: Wie kann ich eine solche architektonische Vielheit, den tiefen räumlichen Eindruck von Macht und Stärke, die Gesamtwirkung auf den im Gebäude stehenden Betrachter auf zweidimensionalen, durch Brennweite und Standpunkt gerahmten Fotografien abbilden? Ich kann es nicht. Und deshalb brauche ich den Kreis aus Licht, den mit ihm folge ich dem Gebäude selbst in der Betrachtung seines Steins und fotografiere, wo es sich mir zeigt.

Die Tiefe, der Raum, der in dieser Kuppel aufgespannt wird, muss verloren gehen in jeder Fotografie. Aber etwas anderes kann entstehen aus der unvermeidlichen Verflachung des Raums, im fotografischen Prozess, der die Tiefe übersetzt in:

Schichten aus Stein und Licht.

Rom, April 2024

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Rom: Stein und Licht

Stein der Säulen, der sich in langen Riefen in die Höhe erstreckt, symmetrisch und gleichförmig, seitlich angestrahlt in einem kleinen Rechteck Kirchenfensterlicht; Stein der gewandeten Statuen, die in ihrer Holzverschalung nahe des Eingangs noch interessanter wirken, getaucht in Muster von Licht und Schatten, hervorgerufen durch nichts als das Licht und sich selbst in Oberfläche und Faltung. Anordnungen der Säulen, unterschiedliche Objektdistanzen, alles nicht mehr als Stein, der aber Räume schafft.

Es ist, als würden die Säulen einen größeren Raum im Kirchenschiff aufspannen, als eigentlich Platz ist. Auf ihrer Oberfläche zeigen sie nicht mehr als sich selbst in unglaublicher Stärke und Beständigkeit.

Und doch entsteht zwischen diesen Säulen ein Gefühl der Ruhe, das ich von keinem anderen Material und keiner anderen Architektur kenne – als diese alten Kirchen.

Irgendwie muss es am Stein liegen; selbst Statuen, in Holzlatten eingerüstet, strahlen diese Stärke aus, mit jeder Falte ihrer Marmorgewänder.

April 2024 – Rom

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Winterwasser

Im Winter heißen die Wasser der Donau eine Reihe von Gästen willkommen. Manche kommen in Gruppen, wie die Schellenten, herausgeputzt für die kommende Balz. Der Kontrast ihrer schwarz-weißen Prachtkleider durchbricht den grauen Nebel und die braunen Ufer der Donau. Eine Wohltat im winterlichen Wien.

Ähnlich kontrastreich, doch einzeln liegt ein anderer Wintergast im Wasser: ein Eistaucher. Abseits der größeren Gruppen von Vögeln, deutlich größer als die verschiedenen Enten und Blässhühner, geschmeidiger als ein Kormoran.

Eine beeindruckende Erscheinung; ein Eistaucher – Brutvogel der Arktis – an beschaulichen Donauufern.

Die Dynamik seiner Silhouette (starker Schnabel, dolchartig fast über einem kräftigen Hals, mit Kraft nach oben gerichtet über dem kompakten Körper) wird aufgenommen in seinem dunklen Schlichtkleid-Gefieder und der abgesetzten weißen Brust. Dazwischen: eine scharfe Linie zwischen hell und dunkel mit den charakteristischen Ausbuchtungen.


Im Seewinkel mischen sich die Gäste. Auch hier ziehen die Winterwasser andere Vögel an als der Sommer. Es ist ruhiger, die großen Wanderungen ruhen, die Brut hat noch nicht begonnen.

Graugänse und Blässgänse ziehen weithin sichtbar und unüberhörbar über den Himmel und rasten am Seeufer.

Eine Sturmmöwe fliegt die Uferlinie entlang und in den frühen Abend hinein.

Der Winter besitzt hier eine eigene Schönheit.


Seewinkel / Wien, Donau
November / Dezember 2023

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Rotfußfalke – Bewegungsstudie

Vogelquadrate aus dem Seewinkel

September 2023, Seewinkel

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Sichler Schwarm

Ein Schwarm Brauner Sichler – Ibisvögel und Feuchtgebietsbewohner – dreht einige Runden bevor er auf einer Weide niedergeht.

Dieser Teil der Camargue, und ich habe bisher nur kleine Teile kennengelernt, scheint größtenteils daraus zu bestehen: viel Platz, Weiden, Tieren, Wasser und Mücken, Wind und ein weiter Himmel voller Vögel.

Camargue, 05/2023

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Wesen

Lachmöwen Schnappschüsse

Ein paar Bilder von Lachmöwen aus dem Winter. Ich bin fasziniert von Möwen, nicht zuletzt aufgrund ihrer komplexen Mauserzyklen, die sie Jahr für Jahr durchlaufen. Die Lachmöwe ist noch vergleichbar einfach verständlich in ihrem Mausern, nach zwei Jahreszyklen wechseln die Vögel nur noch von einem Schlichtkleid in ein Prachtkleid und zurück.

Diese Vögel sind dem Winter entsprechend im Schlichtkleid aber beginnen bereits zu mausern, nehmen den kommenden Frühling mit ihrer dunkelbraunen Kapuze voraus.

Dieses junge Tier lebt noch in einem ersten Winterkleid und beginnt dieses Jahr seinen zweiten Mauserzyklus. Noch einen Zyklus weiter wird es aussehen wie die adulten Möwen.

Wien, Januar 2023

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Nebelkrähe, trinkend, im Park

Obwohl sie mich immer gut im Blick hatte, schien ich der Nebelkrähe wohl doch harmlos genug, in meiner Gegenwart einen Schluck aus der Pfütze zu wagen.

Wien, Januar 2023

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Stockente, fressend, Seeufer

Neusiedlersee, September 2022

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Kranich Ketten

Wenn Kraniche in einer Reihe fliegen kann es vorkommen, dass die gesamte Linie an Tieren eine Wellenbewegung durchführt, als würden sie einer Bodenwelle ausweichen oder über die Oberfläche eines Meeres surfen. Wie Murmeln aufgereiht an einem Faden wird die Wellenbewegung von einem Tier zum nächsten fortgesetzt. Doch anders als die Murmeln brauchen die Kraniche keine Fäden aus Garn zwischen sich, feiner sind die Ketten aus Beobachtung, Nachahmung und Kommunikation, die sich zwischen ihnen ausbreiten. Manchmal ist es nur ein kleiner Schwarm den diese Ketten zusammen halten, doch Schwärme treffen aufeinander, vereinen sich und lösen sich wieder. Ketten, leichter als die Luft in denen sie sich dehnen. Neugeformt immer wieder ziehen sie sich über Kontinente – Migrationslinien, Ketten die Generationen knüpfen.

Crane speed – Bewegung ist untrennbar verbunden mit Kranichen die rufen, ziehen

Rufe reisen hin und her zwischen den wandernden Vögeln. Die Rufe schwillen an wenn die Vögel erregt sind, eine größere Bewegung bevor steht oder Gefahr vermutet wird. Dunkelheit lässt die Rufe lauter werden, die Vögel rücken akustisch zusammen. Die Rufe halten die Gruppen zusammen. Ein Tier ruft, andere antworten; piepsende Jungvögel, trompetende Adulte; Brutpartner*innen, Reisepartner*innen, Artgenoss*innen. Kraniche lassen sich nicht sinnvoll alleine denken. Die Gruppe gehört zum Tier genauso wie der Flug und der Ruf. Jeder Ruf ist akustisch gewordene Verkörperung des Einzeltieres, Rhythmisierung seines Körpers, in-Kraft setzen als Klangkörper: einzigartig in seiner Frequenz1, singulär könnte man meinen – doch ein Ruf fordert direkt den Gegenruf. Ein Kranich, aufgrund schlechter Sicht vorübergehend alleine fliegend ruft umso lauter, seine Partner*innen antworten und die Ketten werden neu hergestellt.

Ist das Aufgehen in einer Masse, Verschwinden im Schwarm? Eher ein Knüpfen heterogener Verbindungen, die Gruppe, die Kette ist auf einer partiell anderen Ebene als das Tier. Die Kontaktrufe der ziehenden Tiere, rhythmisch ausgetauscht, lassen die Gruppe entstehen, spannen die Ketten über den Himmel. Je näher der gemeinsame große Abflug bevor steht, desto lauter werden die Rufe – und schaffen die Ketten die die Vögel hunderte von Kilometern weit ziehen. Tiere rufen, Rufe werden beantwortet, Ketten schlagen Wellen, Zugwege verschieben sich, verteilen die Kraniche weit im Raum, nur um sie wieder zusammenzuführen und wieder auseinander.

Rufend ziehen ineinander verkeilte Ketten von Kranichen auch über Wien. Kranich Ketten ziehen nicht nur Kraniche mit sich, sie sind ein Bewegungsvektor, von dem du dich treffen lassen kannst, der dich auflöst, der etwas bei dir auslöst das dich aus der Stadt hinaus bringt, in eigene Bewegung bringt und dich neu zusammensetzt.

(Man kann das eine Deterritorialisierung und eine anschließende Reterritorialisierung in ein Kranich-Gefüge nennen – muss man aber auch nicht. Deleuze und Guattari bieten nur eine mögliche Sprache dafür2.)

Du findest dich neu zusammengefügt in veränderter Anordnung, du musst die Bewegung der Kraniche in dich aufnehmen, ihnen ist untrennbar verbunden, dass sie sich bewegen – wenn sie sich niederlassen dann nur um wieder aufzubrechen.

(Kraniche verteilen sich im glatten Raum, sie kommen dem was Deleuze/Guattari unter dem Namen Nomade zu fassen versuchen wohl sehr nahe. Kraniche zu beobachten funktioniert dementsprechend auch nur, wenn man ihnen folgt.)

An dem Tag vor dem an dem diese Aufnahmen und Beobachtungen im südlichen Seewinkel zwischen Sandeck und Neudegg entstanden wurden an einer Stelle weiter nördlich bis zu 44.000 Kraniche gezählt – so wird berichtet. Ist dort ein einziges Ding, eine einzige Entität, der Schwarm-von-44.000-Kranichen auf einmal im Seewinkel? Nein. Eine unglaubliche Vielzahl von Kranichen-die-rufen, von Kranichen-die-fliegen wurde von einer Vielzahl von Bewegungsvektoren zusammen geführt. Ketten konvergieren, vermischen und rekombinieren sich, haben die Kraniche zu diesem Ort geführt und werden sie dazu bringen, ihn bald wieder zu verlassen.

(Die Kraniche reterritorialisieren sich als Zugschwärme, bald werden sie sich wieder als Gruppen kleinerer Zahl reterritorialisieren, manche werden sich in Brut-Paaren reterritorialisieren, andere werden versuchen, diese Paare zu deterritorialisieren. Man kann das so ausdrücken, der ganze Sinn der Übung besteht nur darin, dem ephemeren Wesen der Schwärme Geltung zu verleihen.)

Du hast die Bewegung der Kraniche aufgenommen und entfaltest sie entlang der Zugstrecke (Wien Meidling – Wien Hbf – Neusiedl a. See – Pamhagen) und dein Fahrrad ist nun ein Teil von dir-als-Kranich-Beobachter*in, dir-als-Kranich-gezogener und entfaltet die Bewegung weiter über Asphaltwege, Fahrradwege, Feldwege. Und die Bewegung findet ein vorübergehendes Ziel auf einem Turm an einer Koppel an der Grenze eines Schutzgebiets: diese Koppel ist nun ein Sammelplatz, ein Rastplatz für die Kraniche. Sie ist es nur temporär; war es nicht als du sie das letzte Mal sahst und wird es voraussichtlich nicht mehr sein, wenn du sie das nächste Mal siehst. Doch jetzt und hier ist sie es und dein Fernglas wird nun ein bestimmender Teil von dir, vermittelt zwischen den Kranichen und deinen Augen. Du bist nun ein Körper, der ihre Rufe hören, der ihre ephemeren Bewegungen sehen kann, du hast ihre Bewegung aufgenommen und dich von ihr mitreißen lassen.

(Sie haben die Koppel reterritorialisiert und du lässt dich von ihnen reterritorialisieren, könnte man sagen, ist aber auch hier nicht zwingend notwendig. Die Rinder zeigten sich jedenfalls nicht allzu beeindruckt davon.)

Du hast deine eigenen Bewegungen, deine eigene Geschwindigkeit auch mitgebracht, deine Anwesenheit ist nicht körperlos. Doch du hältst dich etwas entfernter, nicht stören zu wollen ist etwas anderes als sich für unsichtbar zu halten.

Die Bewegung der Kraniche, die du für eine gewisse Zeit aufgenommen hast, hat dich auch wieder weggeführt (Fahrrad, Zug). Die Bewegung selbst wandelt sich mit jeder Komponente die sie erfasst und rekombiniert.

Die Kraniche sind wohl schon längst wieder in der Luft, an anderen Orten, die Ketten ziehen weiter. Ein Teil der Bewegung hat sich bei dem Durchgang durch dich verwandelt und bewegt sich fort als dieser Text, andere Teile haben sich schon früher transformiert (eine Kamera half ihnen dabei) und stoßen als Bilder wieder dazu. Die Kraniche haben ihren Teil dazu beigetragen, die Ketten ebenso, genau wie der Turm und die Koppel. Und was noch? Du hast nicht nur Material mitgebracht, auch eine Ästhetik und die Kranich Ketten in Bilder übersetzt.

Herbst 2022


Inspiration und Rückendeckung für Kranich Biologie kommt hierher:
Prange, H. (1989). Der Graue Kranich.—Die Neue Brehm-Büherei 229, A.

Fußnoten:

1 Wessling, B. (2000, November). Individual recognition of cranes, monitoring and vocal communication analysis by sonography. In Proceedings of the 4th European crane workshop (pp. 134-149).

2 Dieser Text ist ein Versuch, Kranich-Zug-Beobachtung entlang Deleuze/Guattari bzw. inspiriert von einigen ihrer Ideen zu denken ohne in ihrer verwegenen Terminologie zu ertrinken oder sich von ihr einschüchtern zu lassen. Ich weiß nicht, ob Deleuze und Guattari je Kraniche im Sinn hatten, als sie Tausend Plateaus schrieben. Falls nicht, haben sie etwas verpasst.

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Allgemein Wesen

Vogelquadrate

Weniger Verwischtes, weniger Konzept. Einfach ein paar Vögel.

Seewinkel, Mai 2021

Bayreuth, März 2018

Bayreuth, Juni 2021

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