Kategorien
Allgemein Über Fotografie Formen

Kampfläufer: Fotografische Skizze

Selbstverständlich ist es ein billiger Trick, einfach die Verschlusszeit von 1/1000 Sekunde auf 1/8 Sekunde herunter zu setzen, ein bisschen an der Kamera zu wackeln und das unscharfe Bild dann rhetorisch aufzuwerten.

Beim Birden (Vogelbeobachten, von engl. bird watching, birding) geht es viel darum, aus einem zusammenhängenden optischen Phänomen Formen heraus zu schälen, Formen die dann ein Vogel sind – im besten Fall ein Vogel, den man währenddessen bestimmt hat.

Als aktiver Prozess spielen neben dem Vogel Wissen und Erfahrung eine entscheidende Rolle. Genauso Ort, Situation und technische Geräte die sich an dem Phänomen beteiligen. Birden konstituiert das Phänomen, das wir dann eine Vogelbeobachtung nennen.

Fotografiere ich nun also den Vogel, den ich – draußen im Aprilwind am St. Andräer Zicksee liegend – birde:

Fotografien wie die beiden oben sprechen nicht über Formenfinden und den konstitutiven Prozess des Birdens. Die Grenzen des Phänomens Vogel sind mittels scharfer Linien festgelegt, die Umgebung erfüllt die Aufgabe eines Hintergrunds. Der Kampfläufer erscheint als das einzig echte Motiv und ihn in seiner – unbestrittenen – Pracht abzubilden als einzige Aufgabe der Fotografie.

Weniger als eine Minute später drücke ich erneut den Auslöser, fotografiere wieder:

Im Skizzenhaften der Darstellung erscheint mir diese Fotografie ehrlicher (nicht authentischer!) als die obigen. Eine Skizze hat nicht den Anspruch, etwas komplett zu repräsentieren. Es geht darum, bestimmte Aspekte zu hervorzuheben, während andere bewusst vernachlässigt werden. Und eine Kamera ist ein ebenso gut geeignetes Gerät zum Skizzieren wie viele andere.

Selbstverständlich ist dieses Bild von irgendeiner Form der getreuen Darstellung mindestens genauso weit entfernt wie die vorherigen. Zur Bestimmung der Art ist es vielleicht eher weniger geeignet – doch nicht unmöglich – und manchen mag etwas Dinghaftigkeit fehlen.

Selbstverständlich ist es auch ein billiger Trick, einfach die Verschlusszeit von 1/1000 Sekunde auf 1/8 Sekunde herunter zu setzen, ein bisschen an der Kamera zu wackeln und das unscharfe Bild dann rhetorisch aufzuwerten. Und gleichzeitig geht es nicht nur um den Trick. Es geht darum, zu zeigen, dass jedes Foto auch anders hätte gemacht werden können.

Und dass manche dieser anderen Wege eine ganz eigene Ästhetik in sich tragen können. Und manchmal etwas darüber erzählen, wie es ist, Kampfläufer am St. Andräer Zicksee zu birden.

Eine Antwort auf „Kampfläufer: Fotografische Skizze“

Hinterlasse einen Kommentar